Das Museum der Kriminalgeschichte

Johannes Oechsler
Johannes Oechsler
Beginn 14.10.2015
Betreuung Prof. Volker Staab, Christian Thomann, Torsten Bodschwinna, Birgit Brewe & Simona Schröder
Ort IAD

Projektbeschreibung

So deutlich sprechen nur ganz wenige Dokumente aus, dass sich die frühe Moderne ganz bald schon ihres radikalen Unterschieds zur Tradition bewusst wurde, wie das 1827 veröffentliche Plädoyer Thomas De Quinceys, die klassische Quinta der Schönen Künste um ein sechstes Fach – das eigentümlich moderne also – zu ergänzen: den Mord.

Schaute die Tradition im Schönen das Gute selbst, wird der moderne Ästhet zum Beobachter des exemplarisch Bösen. Oder – um eine Reflexionsstufe distanzierter und damit moralisch korrigiert – zum Beobachter des Beobachters bzw. Rekonstrukteurs der Untat. Es geht so wieder um das Gute und um Wahrheit, die alte Trias vom Schönen, Guten, Wahren ist zumindest oberflächlich wiederhergestellt – auf eine allerdings ganz neue Art: als Detektivroman.

14 Jahre nach De Quinceys Essay veröffentlicht Edgar Allan Poe mit The Murders in the Rue Morgue die erste Schrift dieser neuen Gattung. Und sie ist sogleich das Muster und Modell aller folgenden. Es gibt keine Detektivgeschichten. Da ist nur eine, ein Typus, und der wird, einmal entdeckt, in unendlichen Variationen wiederholt. Das ästhetische Gewicht verschiebt sich von der hitzigen, ambivalenten Schönheit der Untat selbst zur kühlen, kalkulierten Schönheit der Konstruktion der Erzählung der Untat. Auch diese Form von Schönheit, die Schönheit der Konstruktion, war den Alten unbekannt. Sie wirft ihr Licht weit ins 20. Jahrhundert voraus.

Die weitestgehende Reduktion auf die Kühle der Konstruktion bewirkte allerdings, dass die Bekanntschaft von Poes Monsieur Dupin nicht über die avantgardistischen Gesellschaften hinaus gemacht wurde, für welche bereits De Quincey die ästhetische Öffnung gegenüber dem moralisch Abstoßenden empfohlen hatte.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts legte Sir Arthur Conan Doyle den vollständigen Typus des Kriminalromans vor, wie er der Psychologie auch des bürgerlichen Lesers vollkommen zu entsprechen scheint. Dazu war nötig, der Geheimnisspannung, die das Verlangen, das gewesene Ereignis zu entschlüsseln, stimuliert, eine Spannung der Zeit hinzuzufügen, die eine noch kommende Untat vorhersagt, sofern die Lösung der gewesenen, die immer mit der zukünftigen in engstem Zusammenhang steht, zu spät erfolgen würde.

Dem literarischen Typus der Kriminalgeschichte soll das Museum gewidmet sein; zugleich aber der realen Kriminalgeschichte. Das fordert der literarische Typus selbst, der zwar Ausflüge ins Phantastische unternehmen darf, jedoch nicht, ohne sie schließlich auf eine reale Erklärung zurückführen zu können. Ihre psychologische Wirkung entfaltet die Kriminalgeschichte nicht zuletzt, indem sie stets einen Bezug auf die allzugewöhnliche bürgerliche Wirklichkeit unterhält, in die sie ihre doppelten Böden, ihre Falltüren und ihr Zwielicht einbildet. Sherlock Holmes wohnte in der 221B Baker Street – zunächst nur in der Fiktion, wurde die Adresse bald zur Pilgerstätte seiner zahlreichen Anhänger.

Das Museum versammelt demnach sowohl literarische als auch dokumentarische Schriftstücke, Ton- und Filmaufnahmen und Corpora Delicti. Weil Nacht und Dämmerung die Zeiten des klassischen Kriminalaktes sind, soll eine Möglichkeit zur Übernachtung nicht fehlen. Da der Ort ein gottverlassener ist, auch fernab der Zivilisation liegt, erhält man hier auch etwas zu essen und zu trinken. Es soll an Annehmlichkeiten gar nicht fehlen. Etwas anderes wird es sein, was den meisten Besuchern einen längeren Aufenthalt trotz dieser wohlmeinenden Angebote dennoch verunmöglicht…

Den Entwurf begleitend wird es ein Vertiefungs-Seminar geben, worin das vielfältige Wechselverhältnis von Architektur und Literatur untersucht wird. Der Fokus wird dabei auf der Konstruktion von Atmosphären und dramaturgischen Strukturen liegen, die – in literarischen Werken aufgespürt und untersucht – für den architektonischen Entwurfsprozess fruchtbar gemacht werden sollen.

Ausgabe der Aufgabenstellung am 14.10.2015

Planabgabe am 27.1.2016

Modellabgabe am 3.2.2016

Übersicht ausgewählter Arbeiten